Nicht von Pappe: Prüfung des korrekten Klebstoffauftrags in Kartonboxen für Kosmetiktücher

Kartonboxen für Kosmetiktücher sind für Konsumenten praktisch, doch für Produzenten manchmal herausfordernd: die filigranen Pappkartons werden beim Herausziehen der Tücher erheblich belastet. Thermografische Prüfsysteme von edevis stellen daher sicher, dass die Klebstoffnähte vorhanden und richtig positioniert sind. Die Behälter werden Inline im verklebten Zustand innerhalb einer Zehntelsekunde geprüft. Fehlerhafte werden aussortiert. Allgemein sind Klebstoff-, Dichtstoff- oder Beschichtungsprüfungen prädestinierte Anwendungen für thermografische Verfahren.

Die Anwendung:

In einer Verpackungslinie werden dünne Rohlinge aus Pappe zu kleinen Schachteln gefaltet und verklebt. Der Klebstoffauftrag sollte auf Vorhandensein und korrekte Positionierung überprüft werden. Da die Kartonbox bereits verklebt ist, liegt die zu prüfende Naht im Inneren verborgen. Der Klebstoffauftrag ließe sich zwar auch im offenen Zustand prüfen, doch erst nach dem Zusammenkommen beider Flächen ist gesichert, dass die Verklebung korrekt appliziert ist. Die Thermografie eignet sich deshalb gut für diese Prüfung, weil sie den Wärmeabdruck des Klebstoffs durch die Pappe positionsgetreu erfassen und mit dem Musterbild abgleichen kann. Dadurch kann sie automatisch innerhalb der Taktzeit entscheiden, ob die Verklebung in Ordnung (IO) oder nicht in Ordnung (NIO) ist.

Die Aufgabenstellung:

Die Aufgabe bestand darin, einen Inline-Prüfstand mit einem automatisierten Thermografie-Prüfverfahren für die Taschentuch-Behälter zu entwickeln. Die Prüfung musste in die bestehende Fertigungslinie integriert werden. Der Hersteller wollte zum frühesten Zeitpunkt fehlerhafte Behälter aussortieren können, um unnötige Verluste zu vermeiden. Fehlerhafte Teile müssen vor der nächsten Station im Prozess rechtzeitig aussortiert werden.

Die Herausforderung:

Die besondere Herausforderung lag in der Taktzeit von rund 10 Boxen pro Sekunde. Dabei werden pro Behälter 6 Klebenähte geprüft, je 3 auf verschiedenen Seiten. Zwei Infrarot-Kameras kommen zum Einsatz, deren Daten die simultan in Echtzeit verarbeitet werden. Die edevis Hard- und Software ist somit in der Lage, innerhalb von 10 ms die Bewertung der Klebenaht durchzuführen, und ein Signal zum direkt nachfolgenden Aussortieren von fehlerhaften Teilen zu geben.

Die Lösung:

Um die hohen Herausforderungen zu erfüllen, wurden von edevis bei der Konfiguration der Hard- und Software entscheidende Optimierungen vorgenommen. Systemseitige Latenzen bei der Datenverarbeitung wurden reduziert, um der Taktzeit Rechnung zu tragen. Dabei wurde die Software-Anwendung so systemnah wie möglich bei Windows an den „Echtzeitkern“ des Betriebssystems angedockt.

Die zwei Infrarot-Kameras, die rechts und links des Bandes positioniert wurden, waren eine Eigenentwicklung, da die am Markt erhältlichen Infrarot-Kameras, vor dem Hintergrund einer günstigen Kostenvorgabe, den Anforderungen an die Verarbeitungs-Geschwindigkeit nicht entsprachen (siehe auch unseren Blog-Artikel zum Thema edeCAM). Das Prüfsystem erkennt auch in der hohen Geschwindigkeit genau, ob sich der Klebstoffauftrag richtig verteilt hat und ob die Gegenseite mit angedockt hat. Sie erfüllt damit eine wichtige Prüfanforderung, nämlich ein unerwünschtes Rückfedern der anderen Verklebeseite auszuschließen. Da sowohl (Heiß-) Klebeverfahren als auch Papierfasern nicht in allen Parametern prozesssicher standardisiert werden können, ist die thermografische Klebstoffauftragsprüfung nach der erfolgten Verklebung wichtig.

Die Projektierung:  

Der japanische Kunde stellte Muster zur Verfügung, die für eine Machbarkeitsprüfung verwendet wurden. Daraufhin wurde ein Angebot erstellt. Die technische Realisierung erfolgte gemeinsam mit dem Vertriebspartner KEN Automation und dem Hersteller der Verpackungslinie. Die Anbindung an das übergeordnete Steuerungssystem erfolgte über Feldbus, in diesem Fall Profi.NET, es sind aber auch andere Systeme wie OPC OA oder 24V I/O-Leitungen möglich.

Das Machine Learning:

Ein zentraler Aspekt des Projekts kommt dem Thema Machine Learning zu, einer Vorstufe zur künstlichen Intelligenz (KI). Welche Klebenaht vom Auftrag her in Ordnung (IO) bzw. nicht in Ordnung (NIO) ist, lernt das Prüfsystem durch das Teach-In-Verfahren. Der Kunde kann diese Prüfung selbstständig trainieren, indem zunächst Gutteile unter kontrollierten Bedingungen produziert und geprüft werden. Die Prüfanlage lernt so wie Gutteile aussehen, und kann Abweichungen davon erkennen und aussortieren. Ist dieser Lernprozess stabil abgeschlossen, können unerwünschte Abweichungen im Produktions-Prozess schnell erkannt und korrigiert werden.

Wo immer pastöse bis flüssige Stoffe mit Wärmeabdruck aufgetragen werden, kann die Thermografie-Prüfung gute Dienste leisten. Sie eignet sich daher etwa für die Industrie-Verklebung, Verpackungstechnik, Lackierung, Beschichtung, für Industrie-Dichtstoffe, Kunststoff-Verklebung, Industrieharze Lebensmittel, und Vieles mehr.


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